Strom statt Sprit: Wie sieht die Zukunft der Tankstellen aus?
Die luxemburgischen Tankstellen passen sich an die Energiewende an und stehen dabei vor großen Herausforderungen. Was der Wandel für sie und ihre Kunden bedeutet.
Während Luxemburg zur Elektromobilität übergeht, befinden sich die Tankstellen im Land an einem Wendepunkt. Historisch auf den Verkauf fossiler Brennstoffe ausgerichtet, müssen sie sich nun neu erfinden, um den geänderten Erwartungen von Autofahrern, dem Klimaschutz und den technologischen Entwicklungen gerecht zu werden.
Über rund 230 Tankstellen verfügte Luxemburg im Jahr 2023 und damit über eines der dichtesten Netze in Europa. So entfällt eine Tankstelle auf knapp 3.000 Einwohner. Das Tankstellennetz ist in den vergangenen zwanzig Jahren relativ stabil geblieben. Zwar ging die Anzahl im Landesinneren allmählich zurück, doch konzentrierten sie sich zunehmend an den Grenzen. Diese Entwicklung zeigt, wie bedeutend der grenzüberschreitende Verkauf von Kraftstoff ist.
Diese Stabilität sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich der Markt seit einigen Jahren wandelt. Die Absatzmengen für Benzin stiegen, während die für Diesel seit 2019 kontinuierlich zurückgingen. „Wir müssen zwischen der Zeit vor und nach 2019 unterscheiden. Der Rückgang beim Diesel seit 2019 ist auf eine Erhöhung der Verbrauchsteuern und die Einführung bzw. Erhöhung der CO₂-Steuer in Luxemburg zurückzuführen. Die Preise wurden für Lkw weniger wettbewerbsfähig. Sie profitieren in einigen Nachbarländern, insbesondere in Belgien und Frankreich, davon, dass Verbrauchsteuern erstattet werden. Die Steuererhöhungen stehen in Zusammenhang mit der Entscheidung Luxemburgs, die Treibhausgasemissionen im Verkehrssektor deutlich zu senken, indem der Kraftstoffverkauf in andere Länder verlagert wird. Dies zeigt sich noch deutlicher beim Verkauf von Diesel an Autobahntankstellen: Hier sind die Verkaufsmengen seit 2019 um mehr als 50 Prozent zurückgegangen – ein Trend, der sich 2025 fortsetzt und beschleunigt“, erklärt Éric Bleyer, Präsident des Groupement Énergies Mobilité Luxembourg (GEML).
Rückgang der Steuereinnahmen
Die Statistiken belegen einen Übergang von Diesel- zu Benzinmotoren auf den Straßen. „Allerdings gleichen die Mengen die Verluste beim Diesel bei weitem nicht aus”, fügt Éric Bleyer hinzu.
Konkret verkauften die Tankstellen im Jahr 2023 409.927 Tonnen Benzin und 1.076.549 Tonnen Diesel. Im Jahr 2019 waren es 364.655 Tonnen Benzin und 1.827.760 Tonnen Diesel. Dies entspricht einem Anstieg von 12,42 Prozent beim Benzin und einem Rückgang von 41,1 Prozent beim Diesel. Das verkaufte Volumen an Heizöl ging im gleichen Zeitraum um 27,2 Prozent zurück, während der Absatz von Flugkraftstoff (Jet Fuel) um 39,13 Prozent zunahm.
„Der deutliche Einbruch der Dieselverkäufe seit 2019 hat natürlich zu einem starken Rückgang der staatlichen Steuereinnahmen aus Kraftstoffen geführt. Die Steuereinnahmen aus dem Verkauf von Kraftstoffen, Tabak, Alkohol und anderen verbrauchsteuerpflichtigen Produkten an Tankstellen werden auf etwa 1,5 bis 1,7 Milliarden Euro geschätzt”, sagt Éric Bleyer. Zur Information: Die Gesamteinnahmen im Haushalt des luxemburgischen Staates beziffern sich auf 28,7 Milliarden Euro.
Tankstellen mit neuen Angeboten
Angesichts dieser Veränderungen haben die luxemburgischen Tankstellen einen tiefgreifenden Wandel eingeleitet. Laut Éric Bleyer, dem Präsidenten des Groupement Énergies Mobilité Luxembourg (GEML), sollen sie zu „Multi-Energie- und Multi-Service-Hubs“ werden. Das Aufladen von Elektroautos, Gastronomie, Paketabholung, Postdienstleistungen, Lebensmittelverkauf: Die Tankstellen wandeln sich, um den Erwartungen einer immer vielfältigeren Kundschaft gerecht zu werden. „Tankstellen sind nicht mehr nur Orte, an denen man tanken kann. Sie werden für Autofahrer zu wichtigen Servicepunkten, die in ihrem Alltag fest verankert sind”, erklärt Bleyer. Das Netz umfasst bereits mehr als 200 Ladestationen und wächst stetig weiter. Die Installation von Ladesäulen stößt jedoch auf mehrere Hindernisse: Dazu zählen Platzmangel, eine unzureichende Stromversorgung, komplexe Verwaltungsabläufe und die Konkurrenz durch das öffentliche Chargy-Netz, die Éric Bleyer bislang als unlauter empfand. Vor Kurzem hat ein Unternehmen jedoch die Konzession zum Betrieb der Ladestationen übernommen.
Schnelles Aufladen ist teuer
Werden Tankstellen in den nächsten 30 bis 50 Jahren wegen der Lademöglichkeiten zu Hause verschwinden? Zumal das Schnellladen an Tankstellen in der Regel viel teurer oder sogar doppelt so teuer ist wie die 30 Cent pro kWh, die zu Hause anfallen. Éric Bleyer bleibt zuversichtlich. „Auch wenn das Laden von Elektrofahrzeugen größtenteils zu Hause oder am Arbeitsplatz erfolgen wird, werden einem Großteil der Bevölkerung diese Möglichkeiten nicht zur Verfügung stehen. Bewohner von Gebäuden ohne Privatparkplatz oder Angestellte ohne Ladestation am Büro werden auf Schnelllader angewiesen sein. Die Tankstellenbranche stellt sich auf diese Nachfrage ein und installiert daher Schnellladestationen, die auch jenen zugutekommen, die sie in einer dringenden Situation oder aus beruflichen Zwecken benötigen. Diese Ladesäulen stehen nicht in Konkurrenz zu Lademöglichkeiten zu Hause oder am Arbeitsplatz. Sie erfüllen andere Bedürfnisse und das Laden wird dort immer teurer sein, weil die Anfangsinvestition sehr hoch ist.“
Der Präsident des GEML lenkt die Debatte auf ein anderes Thema: den Zugang zu Energie für finanziell schwächere Bevölkerungsgruppen. „Schnellladen, wenngleich es notwendig ist, ist nach wie vor teurer. Es ist zu befürchten, dass weniger wohlhabende Menschen nur auf die Energie zugreifen können, die am teuersten ist. Dies ist eine große soziale Herausforderung, die es zu antizipieren gilt“, warnt der Präsident des GEML.
Alternative Kraftstoffe in der Entwicklung
Der GEML vertritt einen technologieneutralen Ansatz. Synthetische Kraftstoffe (eFuels) und HVO100 gelten als praktikable Optionen, um den Schwerverkehr schnell zu dekarbonisieren und gleichzeitig die Steuereinnahmen aufrechtzuerhalten.
„Heute kann niemand vorhersagen, welcher Kraftstoff in zehn oder zwanzig Jahren dominieren wird. Wir müssen den Technologien Zeit in ihrer Entwicklung lassen und allen Lösungen die Möglichkeit geben, sich weiterzuentwickeln“, sagt Bleyer. Derzeit laufen Gespräche mit der Regierung, um diese Kraftstoffe in die nationale Strategie zu integrieren.
Was passiert nach 2035?
Man könnte meinen, die Branchenakteure betrachteten das Jahr 2035 wie eine Mauer, die ihr Ende bedeutet. Doch das ist nicht der Fall. „Das Verbrenner-Aus im Jahr 2035 betrifft nur Neufahrzeuge. Der Fahrzeugbestand wird noch mehrere Jahre lang gemischt bleiben. Die Tankstellen müssen weiterhin Kraftstoff bereitstellen und zugleich in alternative Energien investieren. Ihre Anzahl könnte zurückgehen, doch die verbleibenden werden ihr Angebot vielfältiger gestalten, technologisch fortschrittlicher sein und sich stärker an den Bedürfnissen ihrer Kunden ausrichten. Die Branche wird sich anpassen, um wettbewerbsfähig zu bleiben und den Bedürfnissen der Verbraucher gerecht zu werden. Die Aufgabe des GEML wird es sein, diesen Wandel zu begleiten und nicht einfach hinzunehmen“, erklärt Éric Bleyer abschließend.
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