2035 – umstrittener Zeitpunkt für das Verbrenner-Aus
Während die Europäische Union das Verkaufsverbot für Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren ab 2035 beschlossen hat, gehen die großen europäischen Automobilhersteller in die Offensive und das wenige Monate, bevor die EU das Verbrenner-Aus noch einmal überprüfen will. Zwischen industriellen Bedenken, wirtschaftlichen Realitäten und klimatischen Ambitionen scheint ein Konsens noch in weiter Ferne zu liegen.
Das im März 2023 verabschiedete Verkaufsverbot von Benzin-, Diesel- und Hybridfahrzeugen im Rahmen des Europäischen Grünen Deals zielt darauf ab, die CO₂-Emissionen des Automobilsektors drastisch zu reduzieren. Doch mit dem Herannahen der für 2026 vorgesehenen Überprüfung mehren sich die kritischen Stimmen europäischer Hersteller wie BMW, Mercedes und Stellantis.
„Das Ziel, die Emissionen bis 2030 um 55 Prozent zu senken und den Verkauf von Verbrennerfahrzeuge ab 2035 zu verbieten, ist in der definierten Form nicht realistisch“, erklärte Antonio Filosa, der neue Generaldirektor von Stellantis (Peugeot, Fiat, Jeep), in einem Interview mit der Zeitung „Les Échos“. Er rief dazu auf, mehr Flexibilität einzuführen, um einen industriellen Zusammenbruch zu vermeiden. Dabei nannte er vor allem die Notwendigkeit von CO₂-Supercredits für kleine Elektroautos, eine stärke Berücksichtigung von Hybridfahrzeugen und Umstiegsprämien.
BMW plädiert für das Jahr 2050, Mercedes ist skeptisch
Bei BMW ist der Ton ebenso kritisch. Finanzvorstand Walter Mertel schlug vor, das Verbrenner-Aus auf das Jahr 2050 zu verschieben. Seiner Meinung nach berücksichtigt die aktuelle Strategie nicht den gesamten CO₂-Fußabdruck von Fahrzeugen, insbesondere nicht die Emissionen, die bei der Batterieproduktion entstehen, die wiederum überwiegend in Asien erfolgt. „Wir sollten uns auf eine dauerhafte Reduzierung der CO₂-Emissionen konzentrieren und nicht nur auf eine bestimmte Technologie”, betonte er bei einer Pressekonferenz.
In der Woche zuvor hatte Ola Källenius, Chef von Mercedes-Benz und Präsident des europäischen Automobilherstellerverbandes ACEA, das Ziel für 2035 in einem Brief an die Europäische Kommission als „unerreichbar“ bezeichnet. Eine Position, die die wachsende Unruhe in einer Branche widerspiegelt, die mit sinkenden Verkaufszahlen bei Elektrofahrzeugen, Konkurrenz aus China, US-Zöllen und einem Rückgang der weltweiten Gewinne konfrontiert ist.
Der weltweite Automobilmarkt regionalisiert sich unter dem Einfluss von Zollschranken und Umweltvorschriften. Vor diesem Hintergrund erklärte Antonio Filosa, dass Stellantis die Elektrifizierung unterstütze, jedoch stellte er „das Tempo und die Rigidität” des Übergangs infrage. Er wies auch auf den angeschlagenen Markt für leichte Nutzfahrzeuge hin. Er forderte eine Verschiebung der Emissionsreduktionsziele um drei bis fünf Jahre für dieses Segment, das für die Beschäftigung in Europa von entscheidender Bedeutung ist.
Auf dem Weg zu einem Kompromiss?
Angesichts des wachsenden Drucks hat die Europäische Kommission bereits im März 2025 bestimmte Zwischenziele gelockert. Im Anschluss an die IAA in München will ihre Präsidentin Ursula von der Leyen einen strategischen Dialog mit den Herstellern aufnehmen. Filosa will es dabei nicht belassen: „Wir müssen jetzt vom strategischen Dialog zu strategischen Maßnahmen übergehen. Und zwar schnell. Der rasante Rückgang der europäischen Automobilindustrie darf nicht unterschätzt werden.”
Das Ziel für 2035, so sehr es auch ein politisches Symbol ist, trifft auf eine komplexe industrielle Realität. Die Investitionen in die Elektromobilität sind zwar massiv, doch die Infrastruktur, die Produktionskosten und die Nachfrage halten nicht immer Schritt. Die Debatte dreht sich daher nicht mehr um das „Ob“, sondern um das „Wie“ und vor allem um das „Wann“. Die Überprüfung im Jahr 2026 könnte durchaus zum Schauplatz eines Kompromisses zwischen ökologischen Ambitionen und dem Überleben der Industrie werden.
Elektroautos legen in einem schwachen Markt zu
Während der europäische Automobilmarkt Schwierigkeiten hat, sein Vorkrisenniveau wieder zu erreichen, zeigen Frankreich und Deutschland, zwei wichtige Automobilmärkte für die Branche, zwei gegensätzliche Entwicklungen. Auch wenn Elektroautos in beiden Ländern auf dem Vormarsch sind, unterscheiden sich die Marktdynamiken stark voneinander.
Mit einem bescheidenen Anstieg der Zulassungen um 2,18 Prozent im August auf 87.500 Einheiten bleibt der französische Markt weiterhin schwach. In den ersten acht Monaten des Jahres sanken die Neuwagenverkäufe im Vergleich zu 2024 um 7,14 Prozent, und das trotz eines Aufschwungs im August, den Branchenexperten aber als wenig bedeutend bewerteten. Bemerkenswert ist, dass Hybridfahrzeuge mit 50,9 Prozent der Zulassungen seit Januar nun den französischen Markt dominieren, während Verbrenner weiter an Boden verlieren: 21 Prozent entfallen auf Benziner (gegenüber 31 Prozent im Jahr 2024) und 5 Prozent auf Diesel.
Bei den Elektrofahrzeugen wird die Dynamik von Firmenfahrzeugen getragen (+57 Prozent im August), während der Anteil der Privatkunden auf 19 Prozent steigt.
Jenseits des Rheins zeigt sich der Automobilmarkt mit einem Anstieg der Zulassungen um 5 Prozent im August (207.229 Fahrzeuge) robuster. Laut dem Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) ist dies nach einem schwierigen Jahr 2024 der zweite Monat in Folge mit Wachstum.
Das Segment der rein elektrischen Fahrzeuge (BEV) verzeichnet einen Anstieg von 45,7 Prozent gegenüber dem Vorjahr und erreicht einen Marktanteil von 19 Prozent. Dieses Wachstum ist Teil einer anhaltenden Dynamik trotz des Auslaufens der staatlichen Förderungen im Jahr 2024.
Es ist jedoch anzumerken, dass die Gesamtzulassungen seit Januar im Vergleich zum Vorjahr um 1,7 Prozent zurückgegangen sind. Dies ist ein Zeichen dafür, dass der deutsche Automobilmarkt weiterhin schleppend läuft. Er wird durch die Krise der europäischen Hersteller und die zunehmende Konkurrenz durch chinesische Autobauer belastet.
Mit 39,8 Prozent sind Hybridfahrzeuge weiterhin in der Mehrheit, gefolgt von Verbrennern, die einen deutlichen Rückgang verzeichnen (-18,2 Prozent bei Benzinern und -9,2 Prozent bei Diesel). Volkswagen behält seine Führungsposition mit einem Marktanteil von 18,1 Prozent. Zugleich hat der chinesische Hersteller BYD, der bis Ende des Jahres die Produktion in seinem ersten europäischen Werk in Ungarn aufnehmen will, seinen Absatz verfünffacht, während Tesla einen Rückgang von 39,2 Prozent verzeichnete.
Trotz ihrer Unterschiede weisen Frankreich und Deutschland einen gemeinsamen Trend auf: den Aufstieg der Elektromobilität. Dieser Wandel bleibt in einem rückläufigen Markt jedoch fragil.