Marathonläufer, Handballer, Osteopath: Mit 64 Jahren tritt Dan Leiner, Extremsportler für die gute Sache, erneut in die Pedale. Interview mit einem unermüdlichen Sportler.
Dan Leiner :
1978 fuhr ich zum ersten Mal mit einem Freund mit dem Fahrrad von Luxemburg nach Cattolica in Italien. Heute nennt man das Bikepacking und so eine Tour wird perfekt vorbereitet. Damals hatte ich noch nicht einmal ein eigenes Fahrrad. Aber ich hatte Glück, denn mein Nachbar war Nicolas Frantz. Und als ich ihm von meinem Projekt erzählte, zögerte er keine Sekunde und lieh mir eines seiner Räder. Ein schöner Moment des Zusammenhalts. Ich glaube, ich bin vor allem aber sportbegeistert. Der Sport hat es mir ermöglicht, an wirklich untypische Orte zu reisen, an die damals nur wenige Leute gelangten, wie in die DDR oder nach Russland. Damals wurde mir klar, dass man durch Sport die Welt auf eine ganz andere Art und Weise entdecken kann.
Dan Leiner :
Das stimmt. Tatsächlich führen wir seit mittlerweile zehn Jahren jährlich Sportprojekte zur Unterstützung humanitärer Vorhaben durch. Unser allererstes Projekt war die Unterstützung der Vereine Give Children a Future in Kambodscha und Open Hand Malawi, das hier von Luxemburg aus geleitet wird. Kurz danach haben meine Frau und ich beschlossen, unsere eigenen Projekte auf die Beine zu stellen. Neben dem humanitären Zweck war mir immer daran gelegen, die Menschen in meinem Umfeld auch aus sportlicher Sicht zu motivieren. Ich will, dass jeder, der sieht, wozu ich fähig bin, denkt: Hey, das kann ich auch!
Dan Leiner :
Meine einzige Werbung, abgesehen von Mund-zu-Mund-Propaganda und Plakaten in meinem Wartezimmer, sind einige Interviews. Ich habe keine Follower auf Instagram. Meine Follower sitzen in meinem Wartezimmer. Für meine Patienten sind meine Projekte ein alljährlicher Termin. Und wenn die in meinem Wartezimmer nichts ausgehängt sehen, kommen sie zu mir und fragen mich, was mein diesjähriges Projekt ist. Die Leute sind oft überrascht, wenn sie sehen, wie viele Spenden meine Frau und ich auf diese Weise zusammenbekommen. Tatsache ist, dass dieser Zuspruch und diese Unterstützung uns als Organisatoren dazu anspornen, uns immer wieder selbst zu übertreffen und den Menschen, die uns ihr Vertrauen schenken, immer mehr bieten zu wollen, sei es in Form von humanitärer Initiative oder sportlicher Leistung. Meine Frau und ich sagen uns, dass, wenn wir im Vorjahr fünf Projekte durchgeführt haben, wir im nächsten Jahr sieben Projekte organisieren können!
Für die Organisation Open Hand Malawi haben mich zum Beispiel die Nonnen, die meine Patientinnen sind, angesprochen. Sie suchten Möglichkeiten, um Menschen ins Krankenhaus zu transportieren. Daran mangelte es vor Ort. Wir entschieden uns dafür, nicht nur Geld, sondern auch Fahrräder zu sammeln, da ich einen Niederländer in Malawi kannte, der in der Lage war, kleine Fahrradanhänger zu bauen und sie so zu Fahrrad-Ambulanzen zu verwandeln. Mund-zu-Mund-Propaganda und mein Wartezimmer sind zwar ein großartiger Kommunikationskanal, aber ich habe auch gesehen, wie wirkungsvoll ein Interview sein kann. Ich erinnere mich, dass ich in Malawi, nur weil ich das Projekt in einem Interview in den nationalen Medien erwähnte, 258 Nachrichten von Menschen erhielt, die mir Fahrräder schenken wollten. Am Ende kamen über tausend Fahrräder zusammen, zusätzlich zu einer beträchtlichen finanziellen Spende.
Dan Leiner :
Die Tour d’Afrique 2026 stand lange ganz oben auf meiner To-do-Liste. Es sind 99 Etappen. Die Tour startet am 13. Januar im ägyptischen Kairo und endet am 30. April in Kapstadt in Südafrika. Da die Kosten für die Teilnahme recht hoch sind, habe ich mich dazu entschlossen, das erste Mal offiziell Sponsorenanfragen zu stellen. Ich denke, dass ich mehr Geld sammeln werde als für die Teilnahme nötig ist. Den Rest spende ich an die gemeinnützige Organisation KeNako. KeNako wurde von den in Kapstadt lebenden Luxemburgern Patricia und Mike Franz gegründet, die ein Haus für Waisenkinder unterhalten. Ich habe diese Organisation bereits in der Vergangenheit unterstützen können. Durch meine Patienten, über ihre Beziehungen und Vereine habe ich eine Spende von 25.000 Euro erhalten, mit der wir unter anderem das Waisenhaus im Township um ein Stockwerk erweitern und Solaranlagen installieren konnten. Ich finde es faszinierend, dass man so etwas nur mithilfe von Plakaten in einem kleinen Wartezimmer erreichen kann.
Dan Leiner :
Das Geheimnis ist einfach: Beschränke dich auf das Nötigste. Beim Marathon des Sables oder anderen Extremläufen muss man alles selbst tragen. Bei diesen Läufen, bei denen du gezwungen bist, mit deiner gesamten Ausrüstung zu laufen, haben meine Frau und ich gelernt, nur das Nötigste mitzunehmen, manchmal bis auf das Gramm genau. Ich erinnere mich an Läufe, bei denen die Teilnehmer sogar das Aluminium der Lebensmittelverpackungen wegwarfen und den Inhalt in eine kleine Plastiktüte packten, um ein wenig Gewicht zu sparen. Diese Wettkämpfe erfordern enorme Anstrengungen. Wir haben gelernt, nicht unnötig Gewicht mit uns zu tragen. Wenn wir jetzt mit dem Fahrrad unterwegs sind, nehmen wir so gut wie nichts mit. Ein T-Shirt, eine Hose, eine Zahnbürste und eine kleine Parfümprobe. Der einzige kleine „Luxus“: In unserem Alter schlafen wir nicht mehr in Zelten (lacht). Also übernachten wir abends bei Einheimischen oder im Hotel.
Dan Leiner :
Aus medizinischer Sicht haben sich die Menschen, die mir in der Praxis von sich erzählten, oft selbst Hindernisse in den Weg gelegt. Sie dachten, dass Asthma, ein künstliches Hüftgelenk, eine Rückenoperation oder Herzrhythmusstörungen das alles unmöglich machen würden. Ich musste ihnen also erklären, dass ich Asthma habe, eine Hüftprothese, eine Rückenoperation und eine Herzrhythmusstörung (lacht).
Dan Leiner :
Was wäre, wenn ich Ihnen sagen würde, dass ich das Laufen hasse. Als ich jünger war und Handball gespielt habe, habe ich das Laufen gehasst, weil es mich immer gelangweilt hat. Später traf ich meinen ehemaligen Nationaltrainer wieder: Er konnte nicht glauben, dass ich an Läufen über zehn Kilometer und an extremen Marathonläufen teilnehme, während er mich damals nicht dazu bringen konnte, einen Meter zu laufen, wenn ich für ihn spielte (lacht). Das kam erst nach und nach. Ich fing an, mit Freunden laufen zu gehen, zuerst zehn Kilometer, dann einen Halbmarathon. Es fing an, mir Spaß zu machen und ich nahm an Marathonläufen auf der ganzen Welt teil. Je mehr ich lief, desto mehr Menschen aus allen Ecken der Welt lernte ich kennen, die immer verrücktere Ideen hatten. Durch diese Begegnungen entstand langsam der Gedanke, dass man, wenn man einen Marathon laufen kann, auch einen Trail laufen kann, dann einen noch härteren Trail … Es ist zu einer Droge geworden, immer neue Herausforderungen zu suchen.
Dan Leiner :
Die Diagonale des Fous auf La Réunion: 168 Kilometer in einer einzigen Etappe, die ich in weniger als 38 Stunden bewältigt habe. Die Besten schaffen das in 23. Ich konzentriere mich nicht auf Ranglisten oder eine bestimme Leistung. Ich habe die Statur eines Handballers und weiß, dass ich zum Laufen eigentlich viel zu schwer bin. Das Ziel war immer, etwas zu erleben und Menschen zu treffen. Was nicht ausschließt, dass man sich auf jedes Rennen vorbereiten muss.
Dan Leiner :
Ja. Ich liebe schon immer die Begegnungen und den Austausch mit anderen Menschen. Ich erinnere mich an einen stummen russischen Radfahrer. Seine klassische Stimmbehandlung war nicht sehr erfolgreich, aber er bemerkte, dass er bei extremen Anstrengungen Laute erzeugen konnte. Das sind Dinge, die einen für das ganze Leben prägen und einem klarmachen, wie außergewöhnlich der Sport als Motor sein kann. Beim Marathon des Sables traf ich auf einen Läufer mit zwei Beinprothesen. Wenn ich solchen Menschen begegne, denke ich, dass ich kein Recht habe, mich zu beschweren. Das ist auch der Grund, warum ich nicht glaube, dass ich wirklich ein Extremsportler bin. Als ich den Kilimandscharo bestieg, befanden sich in meiner Gruppe große Profisportler, die es nicht bis zum Gipfel schafften.
Wenn in der Praxis Menschen zu mir kommen, weil sie körperliche Schmerzen haben, kommt es oft vor, dass sie ein psychisches Problem mit sich herumtragen, das sich auf ihren Körper auswirkt. In den letzten Jahren ist mir aufgefallen, dass viele meiner Patienten Angst haben. Stress im Alltag, gesundheitliche Probleme … Manchmal denke ich bei Extremwettkämpfen, dass ich nicht mehr kann. In solchen Momenten spreche mit mir selbst und frage mich, wovor ich wirklich Angst habe. Ich denke an die Menschen, die sich gewünscht hätten, sie hätten das tun können, was ich gerade tue. Und das reicht schon, um die nötige Motivation zu finden und weiterzumachen.
Redaktioneller Hinweis: Für weiterführende Informationen zu den im Interview genannten Projekten oder zur Herstellung eines direkten Kontakts wenden Sie sich bitte an presse@acl.lu. Ihre Anfrage wird entsprechend weitergeleitet.
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