Ein Test europäischer Automobilclubs zeigt: Mehr als die Hälfte der online verkauften Kinderwarnwesten erfüllt die Sichtbarkeitsnormen nicht. Eine ernste Warnung – besonders mit Blick auf die kommende Wintersaison.
Die Sicherheit der Jüngsten im Straßenverkehr ist ein zentrales Anliegen, insbesondere in der dunklen Jahreszeit oder bei schlechter Sicht. Kinder werden häufig erst spät oder gar nicht wahrgenommen, wenn sie dunkle Kleidung tragen. Eine einfache, aber äußerst wirksame Maßnahme ist das Tragen von Sicherheitswesten: Sie machen Kinder deutlich früher sichtbar und können so Leben retten.
Zum Vergleich: Ein Kind mit einer guten Sicherheitsweste ist viermal so weit sichtbar wie eines, das nur helle Kleidung trägt. Im Detail:
- Ein Kind mit dunkler Kleidung ist im Scheinwerferlicht eines Autos erst aus etwa 25 Metern Entfernung sichtbar.
- Mit heller Kleidung steigt die Sichtweite auf 40 Meter.
- Eine Sicherheitsweste mit reflektierenden Streifen macht ein Kind hingegen schon aus bis zu 150 Metern sichtbar.
Zur Erinnerung: Ein Auto, das mit 50 km/h fährt, benötigt über 28 Meter Bremsweg im Notfall. Dieser Unterschied kann entscheidend sein, um Autofahrern mehr Reaktionszeit zu geben und Unfälle zu vermeiden.
Norm EN 17353: Ein neuer Maßstab für Kindersicherheit
Die Sicherheit von Kindern im Straßenverkehr darf keine Kompromisse kennen. Und doch sind nicht alle Sicherheitswesten gleich. Seit Juni 2013 gilt die Norm EN ISO 20471 als Referenz für hochsichtbare Kleidung im professionellen Bereich. Sie ersetzt die veraltete Norm DIN EN 471 für neue Produkte. Doch wie steht es um Kinderwesten?
Da Kinderwesten kleiner sind, können sie die in der EN ISO 20471 geforderten Mindestflächen nicht erfüllen. Deshalb gilt für sie eine eigene Norm: EN 17353. Diese definiert präzise Kriterien, um optimale Sichtbarkeit bei Tag und Nacht in Umgebungen mit mittlerem Risiko sicherzustellen.
Die Norm schreibt unter anderem vor:
- 360°-Sichtbarkeit,
- Eine erkennbare menschliche Silhouette,
- Umschließung des Oberkörpers,
- Und eine angemessene Menge reflektierenden Materials je nach Kindergröße.
Im Gegensatz zu einer einfach reflektierenden Fläche wirft eine retroreflektierende Fläche das Licht zur Quelle zurück. Damit dieser Effekt funktioniert, müssen Lichtquelle und das Auge des Fahrers nahe beieinander liegen. Die Norm EN 17353 erlaubt zudem eine größere Farbpalette als frühere Normen, darunter Gelbgrün, Orangerot, Rosa und weitere.
13 von 25 Westen erfüllen die Norm EN 17353 nicht
Um die tatsächliche Wirksamkeit der auf dem Markt erhältlichen Westen zu prüfen, führten europäische Automobilclubs, darunter der ADAC, eine umfassende Studie durch. Insgesamt wurden 25 Modelle gemäß den Kriterien der Norm EN 17353 getestet. Die Produkte wurden anonym eingekauft: 20 online (Amazon, AliExpress) und 5 im stationären Handel (ATU, Bauhaus, OBI u.a.).
Es wurden zwei Testverfahren angewendet:
- ein Schnelltest mit einem visuellen 3M-Prüfkit,
- sowie ein zertifizierter photometrischer Labortest, der die Rückstrahlwerte aus verschiedenen Winkeln maß.
Die Ergebnisse sind eindeutig: 13 von 25 getesteten Westen erfüllten die Norm nicht. Alle nicht konformen Modelle stammten aus dem Online-Handel und wurden in China hergestellt.
Im Gegensatz dazu bestanden alle fünf im stationären Handel gekauften Westen die Tests problemlos.
Ein hoher Preis ist keine Garantie
Entgegen der verbreiteten Annahme sind normgerechte Westen nicht unbedingt teurer. Der Durchschnittspreis für konforme Westen liegt bei 4,71 €, gegenüber 3,24 € für nicht konforme Modelle. Der durchschnittliche Gesamtpreis beträgt 3,94 €, und Westen aus dem stationären Handel kosten im Schnitt 3,85 €, oft weniger als die online angebotenen.
Angesichts dieser Ergebnisse wird empfohlen, die Reflexionsfähigkeit bereits vorhandener Westen zu überprüfen, beim Kauf den stationären Handel zu bevorzugen, auf ein eingenähtes Etikett mit Hinweis auf die Norm EN 17353 zu achten und die Retroreflexion mit einer Lampe oder dem Blitz eines Smartphones zu testen.
Dieser Test verdeutlicht eine besorgniserregende Realität: Mehr als die Hälfte der online verkauften Kinderwesten bietet unzureichenden Schutz. Mit Blick auf die bevorstehende Winterzeit ist die Wahl zuverlässiger Produkte entscheidend. Der stationäre Handel erweist sich dabei als verlässliche Wahl – sowohl in puncto Qualität als auch Preis. Denn in Sachen Sicherheit gilt: Vorsicht ist besser als Nachsicht – und besser sichtbar als unsichtbar.
Was ist mit der Norm EN 1150?
Im Handel sind weiterhin Sicherheitswesten mit der Norm EN 1150 erhältlich. Dabei handelt es sich um eine veraltete Norm, die durch EN 17353 ersetzt wurde. Letztere ist aktueller, klarer definiert und besser auf moderne Anforderungen abgestimmt. Sie bietet einen verbesserten Sichtschutz in verschiedenen Situationen – ohne zwischen Berufs- und Alltagskleidung zu unterscheiden. Für Kinderwarnwesten gilt daher heute eindeutig: EN 17353 ist der neue Standard.