Wie Vianden zur Bühne eines UCI Gravel Rennens wurde
Am 21. Juni hatten Freizeit- und Profifahrer erstmals Gelegenheit, die Strecke des Eislek Gravel Luxembourg zu entdecken. Das Rennen ist Teil der UCI Gravel World Series und versammelte rund 1.500 Teilnehmende vor der eindrucksvollen Kulisse des Schlosses Vianden. Jérôme Graces, Rennleiter und Mitorganisator, blickt auf das Ereignis zurück.
Jérôme Graces
Ich bin einer der Mitbegründer des Vereins Letz’Xplore ASBL, zusammen mit Michel Mottard, Luc Mignon und Laurent Tesch. Wir haben den Verein speziell gegründet, um Radrennen in Luxemburg möglich zu machen, wie eben das Eislek Gravel. Neben dieser Rolle als Mitgründer bin ich auch Rennleiter. Wir vier Gründungsmitglieder teilen uns die wesentlichen Aufgaben bei der Umsetzung der Veranstaltung. Eislek Gravel Luxembourg ist das erste UCI-Gravel-Rennen in Luxemburg.
Jérôme Graces
Das war ein langfristiges Projet. Alles begann im September 2023, also vor über 18 Monaten. In Belgien organisieren wir bereits seit zehn Jahren ein großes Gravel-Event. Das hat uns Sichtbarkeit bei den nationalen und internationalen Verbänden verschafft, auch bei der UCI.
Als wir uns intensiver mit der Gravel-Weltserie befassten, entstand die Idee, ein Rennen in Luxemburg zu organisieren. Da wir in Belgien und im Großherzogtum aktiv sind, war es naheliegend, hier etwas aufzubauen. Die UCI hat unser Vorhaben schnell aufgegriffen. Gemeinsam mit den Behörden in Vianden, den Nachbargemeinden und den zuständigen deutschen Stellen haben wir ein überzeugendes Bewerbungspaket zusammengeschnürt, im September 2024 eingereicht und kurz darauf die Zusage erhalten.
Jérôme Graces
Genau. Ein Jahr Planung auf dem Papier und dann mehr als acht Monate intensive praktische Arbeit, um das Rennen vor Ort umzusetzen.
Jérôme Graces
Ganz Luxemburg ist ein hervorragendes Terrain für den Radsport, unabhängig von der Disziplin. Luxemburg-Stadt wäre eine interessante Option gewesen, insbesondere wegen der Infrastruktur und internationalen Bekanntheit.
Aber nach Gesprächen mit dem Luxemburger Radsportverband, vor allem mit Frank Schleck, wurden wir auf den Norden des Landes hingewiesen. Vianden hat sehr schnell großes Interesse gezeigt. Auch der Naturpark Our hat uns darin bestärkt, die Region ins Auge zu fassen. Schon bei der ersten Vorstellung unseres Projekts hat die Stadt vollständig mitgezogen und sich als starker Partner erwiesen. Vianden bietet eine schöne landschaftliche Kulisse, touristische Kapazitäten und ein motiviertes Umfeld. Diese Kombination war entscheidend für den Erfolg der Veranstaltung.
Jérôme Graces
Wir konnten auf die wertvolle Unterstützung von etwa hundert Freiwilligen zählen, die die Durchführung des Rennens erst ermöglicht haben. Eine der größten Herausforderungen war die Organisation in Vianden selbst. Die Stadt ist wunderschön, aber geografisch anspruchsvoll. Sie liegt in einem engen Tal mit wenigen Zufahrtsstraßen. Am Veranstaltungstag mussten wir fast die gesamte Stadt sperren.
Das führte zu Problemen im Straßenverkehr, sowohl für die Einwohner als auch für Grenzpendler aus Deutschland und Teilnehmende. Deshalb haben wir außerhalb von Vianden Ausweichparkplätze eingerichtet, mit klarer Beschilderung und einer gezielten Kommunikationsstrategie über soziale Medien, Hauswurfsendungen und Mailings. Auch der öffentliche Nahverkehr wurde in Abstimmung mit den Behörden vorübergehend angepasst. Die gesamte Logistik erforderte eine sorgfältige Vorbereitung und umfangreiche Abstimmungen im Vorfeld.
Jérôme Graces
Das Rennen zählte rund 1.500 Teilnehmende, darunter etwa hundert Profis aus der Eliteklasse. Das Gesamtbudget überstieg 100.000 Euro. Demgegenüber standen aber deutliche wirtschaftliche Effekte für die Region. Wir schätzen, dass jeder Teilnehmende zwischen 250 und 500 Euro hier ausgegeben hat. Das liegt auch daran, dass nur elf Prozent der Startenden aus Luxemburg kamen. Die große Mehrheit kam aus dem Ausland, viele aus Nordbelgien, aber auch aus den Niederlanden, Deutschland und darüber hinaus.
Die Region war regelrecht ausgebucht. In Vianden selbst waren alle Hotelzimmer belegt, ebenso in umliegenden Orten wie Echternach oder Beaufort. Schätzungsweise haben 1000 Personen mindestens eine Nacht in Luxemburg verbracht. Das hat eine beachtliche und direkte wirtschaftliche Wirkung auf die lokale Tourismus- und Gastgewerbebranche.
Jérôme Graces
Das Besondere am UCI-Gravel-Format ist, dass es Freizeit- und Profisport miteinander verbindet. Das stellt eine doppelte Herausforderung an die Organisation. Einerseits betreut man rund 1.400 Hobbysportlerinnen und -sportler mit sehr unterschiedlichen Profilen. Andererseits muss man den besonderen Anforderungen der Elite gerecht werden.
Das bedeutet unter anderem Einladungen, Unterstützung bei der Unterkunft und die Einrichtung eigener Parkbereiche für Profiteams, die mit ausgestatteten Bussen oder Wohnmobilen anreisen. Darüber hinaus ist ein hohes Maß an Sicherheit auf der Strecke entscheidend, denn für viele Profis geht es um ihre Saison oder sogar ihre Karriere. Wir haben daher eng mit der Polizei, den technischen Diensten und einem spezialisierten Motorradteam zusammengearbeitet, das auf die Begleitung von Radrennen spezialisiert ist. Ihr Einsatz war entscheidend für einen reibungslosen Ablauf.
Wir arbeiten bereits an der nächsten Ausgabe, auch wenn das Datum noch nicht feststeht
Jérôme Graces - directeur de la course et co-organisateur
Jérôme Graces
Die Streckenplanung war echte Feinarbeit. Wir haben rund zwanzig Erkundungstouren mit dem Rad gemacht, zunächst gemeinsam mit einem Teammitglied aus der Region, das Vianden gut kennt. Parallel dazu haben wir auf der Karte mögliche Wege identifiziert und sie anschließend vor Ort getestet, sowohl im Winter als auch im Sommer, denn die Bedingungen können je nach Jahreszeit stark variieren.
Hinzu kam, dass wir uns an die erteilten Genehmigungen für einzelne Abschnitte halten mussten. Aber diese Detailarbeit gehört zu unserer DNA. Unser Ziel war eine Strecke, die sportlich anspruchsvoll und gleichzeitig sicher ist, für Einsatzkräfte und Helfende zugänglich bleibt und gleichzeitig die Region nicht vergisst, zum Beispiel ein Streckenabschnitt mit Blick auf das Schloss Vianden.
Das Ergebnis war ein sehr schöner Rundkurs, zugänglich für die breite Öffentlichkeit, aber körperlich fordernd. Die Profis beschrieben ihn als außergewöhnlich: eine Kombination aus schnellen, flüssigen und sicheren Passagen, besonders auf deutscher Seite, und intensiveren Abschnitten wie dem Anstieg zum Bassin Saint-Nicolas.
Die Strecke richtete sich an Fahrerinnen und Fahrer mit Allround-Fähigkeiten, die sowohl gut klettern als auch schnell fahren können. Technisch war sie nicht besonders anspruchsvoll, mit Ausnahme einer etwas ruppigeren Abfahrt, die aber für Amateure gut umfahrbar war.
Jérôme Graces
Wir arbeiten bereits an der nächsten Ausgabe, auch wenn das Datum noch nicht feststeht. Es gibt mehrere Partner, mit denen wir uns abstimmen müssen, darunter die UCI, bevor wir etwas offiziell bekannt geben können. Für uns steht jedoch fest, dass die Veranstaltung weitergeführt werden soll.
Die UCI spielt dabei eine wichtige Rolle. Während des Rennens war ein Supervisor vor Ort, der sich vergewissert hat, dass alles den Anforderungen entspricht, von der Sicherheit über die Organisation bis zur Streckenqualität. Er ist sogar selbst mitgefahren, um einen direkten Eindruck zu gewinnen. Sein Feedback war sehr positiv und bestärkt uns, die Veranstaltung fortzusetzen, idealerweise wieder in Vianden, das uns großartig unterstützt hat.
Jérôme Graces
Ja, wir veranstalten weiterhin unser Gravel- und MTB-Festival in Bouillon, einer weiteren mittelalterlichen Stadt in Belgien. Unser Hauptziel für 2026 ist aber die Weiterentwicklung des Rennens in Vianden.
Wir denken darüber nach, das Event auf zwei Tage auszuweiten. Die UCI-Wertung würde dann weiterhin am Sonntag stattfinden. Der Samstag könnte ein eher geselliger Tag werden, ohne Zeitnahme und Leistungsdruck, speziell für ein freizeitorientiertes Publikum. Wir würden GPS-geführte Strecken anbieten, damit die Teilnehmenden die Region in ihrem eigenen Tempo erkunden können. Im Anschluss könnte man ein Bier genießen, sich in den Liegestuhl legen, mit Partnern ins Gespräch kommen, etwas essen, kurz gesagt, ein entspannter Rahmen für alle, die Gravel anders erleben wollen.
Jérôme Graces
Dafür gibt es mehrere Gründe. Gravel hat vielen Menschen den Einstieg oder Wiedereinstieg ins Radfahren erleichtert, ohne sich zwischen Rennrad und Mountainbike entscheiden zu müssen. Es ist eine vielseitige Disziplin, die das Geschwindigkeitserlebnis der Straße mit der Freiheit von Feld- und Waldwegen verbindet.
Hinzu kommt das Thema Sicherheit. Gravel ermöglicht es, stark befahrene Straßen zu vermeiden, bleibt dabei aber technisch gut zugänglich. Man kann auf Radwegen und landwirtschaftlichen Wegen fahren, ohne das hohe fahrtechnische Niveau zu benötigen, das beim Mountainbiken oft notwendig ist. Auch wirtschaftlich und aus Marketingsicht wurde Gravel von der Industrie gut positioniert.
Aus persönlicher Sicht finde ich, dass das Mountainbiken sehr technisch geworden ist. Die Bikes sind sehr leistungsfähig, brauchen aber auch extrem anspruchsvolle Strecken, um wirklich ausgefahren zu werden. Viele ehemalige MTB-Strecken sind heute besser fürs Graveln geeignet. Gravel schließt eine Lücke zwischen Straße und Trail, mit einer freieren, flüssigeren und oft einfacheren Herangehensweise.