Vom virtuellen Rennen auf die Straße
Was einst als einfache Computerspielerei galt, hat sich zu einer anspruchsvollen Motorsport-Disziplin entwickelt: Sim-Racing. Die Kombination aus realistischer Fahrphysik, modernster Technologie und wachsender Popularität macht es zu mehr als nur einem Hobby.
Sim-Racing hat sich längst als fester Bestandteil des Motorsports etabliert. Viele professionelle Rennfahrer, darunter Max Verstappen oder Lando Norris, nutzen es als Trainingsmethode, um Streckenlayouts zu lernen, ihre Reaktionsfähigkeit zu schärfen und das Fahrzeugverhalten zu simulieren.
Auch in Luxemburg gewinnt Sim-Racing an Bedeutung. Die Luxemburg Formula Racing Liga (LFR), gegründet vor etwa zwei Jahren, bietet eine Plattform für lokale Sim-Racer. Mit zwei Divisionen hat sich die LFR als feste Größe etabliert und ist Mitglied der Fédération Luxembourgeoise d’Esport (FLES).
Nah an der Realität
„Sim-Racing gibt dir die Möglichkeit, so nah wie möglich an die Realität heranzukommen und das Fahren so zu erleben, wie es die Piloten auch im echten Leben tun“, erklärt Joe Stammet, Sim-Racer in der ersten Division der LFR.
Am Cockpit durchlebt er oft ein Wechselbad der Gefühle. „Das reicht von Frustration bis hin zu enorm viel Adrenalin. Frust, wenn es nicht so läuft, wie ich es mir vorstelle, aber auch Euphorie. Nach meinem letzten Rennen in Suzuka habe ich vor Freude und Anspannung sogar noch nach dem Rennen gezittert.“
Anders als in echten Rennen gehen virtuelle Wettkämpfe oft nur über die Hälfte der regulären Distanz, da die LFR-Piloten keine professionellen Fahrer sind und auch Zeit für Familie und Job bleiben soll.
Virtuelle Rennserien wie die F1 Esports Series oder die Le Mans Virtual Series haben gezeigt, dass talentierte Sim-Racer es auf echte Rennstrecken schaffen können. Ein prominentes Beispiel ist Jann Mardenborough, der über die Gran Turismo Academy in den professionellen Motorsport einstieg. Diese Entwicklungen zeigten, wie Sim-Racing Gaming und realen Rennsport vereint, erklärt Joe Stammet. Doch der Übergang sei nicht einfach. Die physischen Belastungen, das Gefühl für die Fliehkräfte und die psychologische Anspannung eines echten Rennens lassen sich digital nur bedingt nachbilden. Trotzdem sind viele grundlegende Fähigkeiten übertragbar, was Sim-Racing immer attraktiver für die Talentsuche im Motorsport macht.
Die Technologie hinter dem virtuellen Rennsport
Hinter Sim-Racing steckt eine beeindruckende Technik, die sich stetig weiterentwickelt. Rennsimulatoren wie iRacing oder Le Mans Ultimate setzen auf realistische Fahrphysik und Streckenvermessungen, um ein authentisches Fahrgefühl zu schaffen. Lenkräder mit Force-Feedback-Technologie und Pedalsysteme mit Widerstand sorgen dafür, dass Fahrer das Verhalten eines echten Autos möglichst realistisch erleben.
Sim-Racing als Fahrtraining
Eine der spannendsten Fragen ist, ob Sim-Racing tatsächlich dabei hilft, ein besserer Autofahrer zu werden. Joe Stammet erzählt, dass er seine Erfahrung aus den virtuellen Rennen vor allem beim Karting nutzen könne. Seine Reaktionszeit habe sich verbessert und seine Linienwahl sei präziser geworden.
Im normalen Straßenverkehr komme man jedoch selten in rennähnliche Situationen, schildert der LFR-Pilot. Er selbst lasse sich nicht dazu verleiten, riskanter zu fahren, da er sich und andere nicht unnötig in Gefahr bringen möchte. Eines habe er jedoch mitgenommen: „Durch den virtuellen Rennsport habe ich gelernt, vorausschauender zu fahren.“
Besonders hilfreich ist Sim-Racing ihm zufolge, um die Blickführung, die Bremskontrolle und das präzise Lenken zu verbessern. Doch es gibt auch Risiken. Wer nur im Simulator fährt, entwickelt möglicherweise ein falsches Sicherheitsgefühl. Fahrer können sich eine aggressive oder risikoreiche Fahrweise aneignen, weil im Computerspiel gravierende Konsequenzen ausbleiben.